Ich erinnere mich noch, es war ein Samstag, normales Wetter, schön, überdurchschnittlich und ich freute mich schon auf den Frühling. Diese schöne Zeit, in der alles blüht, die Frösche quaken und die Vögel ihre Lieder singen. Ich freute mich auf die fröhlichen Geräusche der Jungs, wenn sie mit ihren Stilaugen den Mädels in ihren kurzen Röcken hinterher schauen und in Horden die Strassenlaternen scheppernd anrempeln, Kaffee verschütten, stottern und stolpern. Ja darauf freute ich mich schon, kurz bevor ich mich zu Bett begab. Ich dachte an die frühen Morgende, wenn die kalte Luft des Frühlings den Himmel so blau scheinen lässt und die Obstbäume in ihrer Farbenpracht leuchten, an die Eisdiele, aus der man sich noch an so manchem Tag das Eis mit einem leichten Frösteln holt, um den Sommer zu erzwingen. Und ich vergass auch nicht die Erwartung an das erste krachende Donnern, den ersten Blitz, das Getöse, mit dem uns der Sommer aus der Ferne entgegenschreit: ich bin da, ich donnere, ich blitze, denn ich bin der Sommer mit meinem ersten Gewitter (daran denke ich ja meistens, dabei ist das nur mein eigen Schnarchen). Dann schlief ich ein.

Und nun? Habe ich drei Monate verpennt? Wo ist mein so geliebter Frühling? Wieso ist schon Mitte Juli? Gedächtnisschwund? Alzheimer?
Verdammte Scheisse, wo bekomme ich denn nun den Frühling her?

Schuld an allem hat Jo. Er hatte nichts besseres zu tun, als Charles ins Spiel zu bringen.

Dann gab es auch noch Stimmen, die zwar die Schließung des Forums bedauerten, es aber weitaus trauriger fanden, dass die Lyrik darin viel zu kurz kam. Also Ludwig, speziell für dich das folgende Gedicht!

Seltsam, bitte verzeihe mir, dass ich es mal wieder wage hinter dir zu posten. Es bietet sich halt an. Mit deiner bezaubernden Geschichte eröffnest du den Reigen der Jahreszeiten mit dem Frühling. Bukowski wäre nicht er selbst, wenn seine Sommerzeit in ähnlichem Tenor verliefe. Allerdings kann man seinem Gedicht, auch wenn man ihn nicht mag, durchaus positive Aspekte abgewinnen, wuppt es doch deinen "Frühling" wieder ganz noch oben, wo er hingehört :-)


SOMMERZEIT
(Charles Bukowski)

Ich kam rein und die Stechkarten ware
n alle weg so daß ich zu Spindle in d
ie Personalbateilung mußte und der sa
gte: Was'n los, Chinaski? und ich dar
auf:  Verdammt, die Stechkarten  sind
weg,ich hab nicht stempeln können! Da
sagte er: Du bist ne Stunde zu spät.U
nd ich sagte: Scheiße, auf meiner Uhr
isses genau sechs. Und  er  sagte: Ab
heute ist Sommerzeit. Oh,  sagte ich,  
und er sagte: Wieso hast du nicht gew
ußt, daß Sommerzeit ist? Und ich sag-
te:Naja,ich hab ja keinen Fernseher u
nd les nicht die Zeitung, und aus'm R
adio hör ich mir nur Sinfonien an. Un
d Spindle drehte sich  zu den anderen
um und sagte: Hört euch das an, China
ski sagt, er hat keinen Fernseher und
liest nicht  die Zeitung und im Radio
hört er sich  nur  Sinfonien an,  und
so was soll ich  glauben?  Und jemand
sagte: Worauf du einen lassen kannst,
der Typ is plemplem  wie nur was. Und
Spindle  holte meine  Stechkarte raus
und gab sie mir:  Na dann geh sie mal
stempeln, und fürs Zuspätkommen wirst
du aufgeschrieben. Und ich ging mit m
einer Karte zur Stechuhr und hieb auf
den Knopf, und dann ging ich in die H
alle und die Kollegen kicherten und t
uschelten und ich gab meine Karte dem
Aufseher, Wilkins, in Reihe 88 und se
tzte mich hin und fing an zu arbeiten.